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Der Sprung ins Grüne

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Waldbaden

Shinrin Yoku – Wald(luft)baden, die natürliche Medizin

Immer wieder hört man vom Waldbaden. Eine Vorstellung ist leicht gemacht. Doch was es wirklich ist, lässt sich erst durchs Erleben feststellen. Dafür haben wir versucht, den Trend einzufangen und zu erklären, woher Waldbaden kommt, wieso man das macht und was es bringt. Vielleicht entdeckt ihr den Sprung ins Grüne – statt ins Wasser – auch für euch und sammelt Energie für das neue, bevorstehende Jahrzehnt.

Erst einmal zu den Fakten! Waldbaden hat nichts mit Wasser, Schwimmen oder Plantschen zu tun. Es handelt sich um eine traditionelle Heilpraktik aus Japan. Dort wird es sogar unter den medizinischen Begriff gefasst und wurde bereits Anfang der 80er Jahre vom japanischen Landwirtschaftsministerium eingeführt. In Japan ist Shinrin Yoku ein millionenschweres Forschungsprogramm, um die medizinische Wirkung des Waldbadens nachzuweisen. Mit Erfolg.: Vor 12 Jahren eröffnete das erste Zentrum für „Waldtherapie“.

Was genau am Waldbaden die Heilung bzw. die heilende Wirkung bringt, ist bis heute ungeklärt. Forscher vermuten die Wirkung der Natur, Ruhe, Abseits der Stadt, die Farbe Grün, die Photosynthese etc.

Doch was macht den Unterschied zu einem herkömmlichen Spaziergang im Grünen?

Beim Waldbaden geht es vor allem darum, Zeit zu haben, den Wald in Ruhe zu betrachten, ihn aufzunehmen, wahrzunehmen, hinzuhören und sich treiben zu lassen. Umwege gehen, den Moment spüren und erleben.

Klingt nach einem Marketing-Gag? Ist aber keiner! Zukünftig sollte man sich das Geld für überteuerte Wellness-Oasen sparen, statt einer Massage lieber die Stunde ausgiebig im Wald verbringen und der japanischen Wissenschaft vertrauen.

Japanische Universitäten bieten mittlerweile eine fachärztliche Spezialisierung in „Waldmedizin“ an. Es ist wohl durch den Wissenschaftler Qing Li, der an der Nippon Medical School in Tokio forscht, bestätigt, dass ein kurzer entspannter Spaziergang durch den Wald Einfluss auf unsere Gesundheit hat. Im Wald steige die Zahl der Killerzellen in unserem Blut und das Immunsystem verbessere sich. Blutdruck, Kortisolspiegel und Puls würden sinken.

Das können und dürfen die Europäer kaum noch ignorieren! Li möchte die Waldmedizin international zu einer anerkannten Wissenschaft machen, doch die Skepsis in Europa, beziehungsweise Deutschland, besagt: was in Japan Wirkung zeigt, muss nicht für die Wälder hier gelten. Eiche, Buche und Birken sind vielleicht nicht so heilend wie Pinien, Zedern und Lerchen.

Und vor allem – Heilung wovon?

Waldspaziergänge klären die Gedanken, das macht ein guter Run, oder der Besuch eines Fitnessstudios auch. Natürlich ist die Natur immer eine Bereicherung, da wir Menschen zunehmend durch Technik, Moden und Komfort abgelenkt werden. Aber was macht das Waldbaden so besonders?

Li geht davon aus, dass die Botenstoffe der Bäume eine zentrale Bedeutung haben. Dabei hat er die Wirkung von Terpenen untersucht. Terpene dienen bei Pflanzen zur Feindabwehr, um schädliche Insekten abzuschrecken. Ähnlich wirken Terpene auch bei uns. Wir nehmen sie über die Atemwege und die Haut auf. Unser Immunsystem wird gestärkt und weist mehr Killerzellen im Blut auf.

Es gibt aber auch Skeptiker und Kritiker von Li`s These. Die Mengen der Botenstoffe seien viel zu gering, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Man müsse tagelang im Wald verbringen, damit der Duft ausreicht und das Immunsystem stärkt. Ein Kritiker ist Hanns Hatt, der Geruchs- und Geschmacksforscher an der Ruhr-Universität Bochum ist. Er glaubt eher an ein Geruchsmuster. Eine Erinnerung gekoppelt an den Wald und den damit verbundenen Geruch löst alte Gefühle aus. Verliebt durch den Wald spazieren, Pilze sammeln mit der Oma, etc. Die Konditionierung soll das Erlebnis im Wald so besonders machen.

Betrachtet man die verschiedenen Meinungen – es gibt noch weiß Gott mehr – so schließt das eine das andere nicht aus. Selbst wenn „nur“ schöne Erinnerungen für ein erfolgreiches Waldbad verantwortlich sind oder die Terpene, also die Botenstoffe, die man natürlich aufnimmt, während man den Wald besucht, so haben doch beide positive Effekte. Eine Entscheidung, in den Wald zu gehen, bedeutet, sich etwas Gutes zu tun und sich eine Auszeit von jeglichen Ablenkungen unserer Gesellschaft zu gönnen. In dem Moment, wo man sich für sich entscheidet, ist wahrscheinlich das Beste für einen getan. Dabei zählt dann vielleicht nicht der Wald, der Sport, das Malen, oder die Massage, sondern die Entscheidung einfach mal wieder los zu lassen und sich selbst vorne anzustellen.

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