Start News & Gesellschaft Erfolgreiche Führung in Zeiten der Corona-Krise – Teil 2

Erfolgreiche Führung in Zeiten der Corona-Krise – Teil 2

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66 Tage, die unsere Welt bereits dauerhaft verändert haben.     

Bochum, 3.4.2020

Heute ist es genau 66 Tage her, dass in Starnberg in Bayern der erste Deutsche positiv auf das Corona Virus getestet wurde. Seitdem erleben wir eine ständig zunehmende, bislang nicht gekannte Dynamik und Reichweite von Ereignissen und Maßnahmen. In Deutschland, in Europa und inzwischen rund um den Globus.

  • 30 Tage später, kurz nach Rosenmontag und zeitgleich mit dem Bekanntwerden von Infektionsclustern in Heinsberg/NRW, Bayern und Baden-Württemberg, trat zum ersten Mal der neu eingeführte Krisenstab der Bundesregierung zusammen. Zu diesem Zeitpunkt gab es deutschlandweit 32 registrierte Infektionen Fälle – das liegt jetzt genau 36 Tage zurück.
  • vor 25 Tagen: nach Abriegelung von elf Städten in der Lombardei und Venetien wird ganz Italien zur Schutzzone erklärt. Gleichzeitig folgten Bayern, NRW und andere Bundesländer der Empfehlung des Bundegesundheitsministeriums, Veranstaltungen mit über 1.000 TeilnehmerInnen zu untersagen.
  • Vor 18 Tagen: Schulen und Kitas sind in Deutschland bleiben geschlossen.
  • Vor 17 Tagen: das Robert-Koch-Institut erhöht die Gefahrenstufe für Deutschland auf hoch.
  • Vor 16 Tagen: Die deutschen Grenzen werden für den normalen Reiseverkehr geschlossen, die EU verhängt einen Einreisestopp.
  • Vor 13 Tagen: In Italien werden mehrfach rund 800 Corona-Tote in 24h verzeichnet.
  • Vor 12 Tagen: bundesweite Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, Schließung von Gastronomie- und anderen Betrieben.
  • Vor 10 Tagen: Verschiebung der olympischen Sommerspiele, Aussetzung der Schuldenbremse und Bereitstellung enormer Finanzmittel zur Abschwächung der wirtschaftlichen Folgen.
  • Vor 5 Tagen: Schließung „nicht lebensnotwendiger Unternehmen“ in Spanien.

Während diese Zeilen entstehen, schätzt die (bis vor wenigen Wochen den Meisten von uns noch völlig unbekannte) Johns-Hopkins-Universität die Zahl der weltweiten Corona-Infizierten auf knapp unter 1.000.000, die der Toten auf rund 45.000 und die der inzwischen genesenen auf über 192.000 Personen. Für Deutschland sollen es 67.000 Infizierte und bisher rund 700 Tote sein.

Covid-19 ist anders als bisherige Krisen

Warum an dieser Stelle der Versuch einer gezwungenermaßen unvollständigen und willkürlichen Chronik, wieso die Aufzählung mehr oder weniger verlässlicher Infektionszahlen und Schätzungen? Weil dies die enorme Dynamik der Ereignisse und Reaktionen verdeutlicht: War Corona noch vor 66 Tagen für die meisten von uns ganz weit weg, so übersteigt die Geschwindigkeit der Ereignisse inzwischen unser Gefühl für zeitliche Abläufe. Die Dynamik der vergangenen neun Wochen stellt unsere Erfahrung mit anderen Entwicklungen völlig in den Schatten. Bisher unvorstellbare Veränderungen passieren quasi über Nacht. Wir fangen montags an zu arbeiten und am Freitag sieht die Welt ganz anders aus, als wir dachten und als wir sie kannten.

Und diese Entwicklung wird sich auch in den kommenden Wochen weiter fortsetzen, vermutlich sogar zunächst noch einmal weiter beschleunigen. Es entstehen neue Hotspots in den USA, Mittel- und Lateinamerika und Afrika, die den globalen Maßstab der Herausforderung verdeutlichen. Covid-19 fordert inzwischen wirklich die gesamte Menschheit heraus!

Diese Pandemie ist anders als andere Krisen. Die Krankheit und ihre direkten und indirekten Folgen bedrohen nicht unsere Gesundheit, unsere Wirtschaft oder unser Finanzwesen – sie bedroht alle Bereiche gleichzeitig. Auch ohne, dass wir erkranken, betrifft uns das Virus persönlich, gesellschaftlich und politisch. Es beschränkt unsere Bewegungsfreiheit und Freizügigkeit. Es betrifft ganz konkret unseren Alltag und unsere Realität, aber ebenso die Wahrnehmung dieser Realität und unsere Erwartungen für die Zukunft.

Dabei fehlt es uns völlig an Erfahrungswerten, Möglichkeiten zur Extrapolation, klar definierten Zeitrahmen und belastbaren Aussagen zu einem (?) erreichbaren Endzustand. Wie soll in einer solchen Situation gute Führung gelingen? In unserer ersten Folge ging es darum, Ängste zu verringern, und dem mit der für die Meisten von uns völlig veränderten Arbeitssituationen verbundenen Stress zu begegnen. Im Folgenden wollen wir uns mit dem Thema „Komplexität“ und dem Anspruch an „gute Führung“ beschäftigen. Steigen wir also ein:

Grundsatz 3: Verlieren Sie sich nicht in der Komplexität – verringern Sie sie!

Aktuell sehen wir uns mit Schwierigkeiten und Bedrohungen auf allen Feldern gleichzeitig konfrontiert, die zu lösenden Probleme und Aufgaben erscheinen unübersehbar – und alles hängt mit allem zusammen…

So sehr wir es uns auch wünschen: In einer solchen Situation kann es keine „zu Ende gedachten“ Lösungen geben. Sollte es jemals eines Musterbeispiels für den Einsatz agiler Methoden und Techniken bedurft haben – hier ist die perfekte Fallstudie! Nur leider in der Realität und in einem Umfang, auf einem Niveau und mit einem Komplexitätsgrad, die sich so sicher niemand wünschen konnte. Aber wie sagt der Volksmund nicht zu Unrecht: „Jammern allein hilft nicht“!

Eines der Grundprinzipien agilen Managements ist das der Iteration. Das schrittweise Vorgehen in zeitlich definierten „Sprints“, das Herunterbrechen der Gesamtaufgabe in Tasks und „Inkremente“, mit denen wir unserem Ziel näherkommen, verbunden mit einem systematischen Abgleich des Erreichten an die sich verändernde Situation, an neue Anforderungen und neue Erkenntnisse.

Eine große Hilfe hierbei ist es, die Komplexität der so entstehenden Produkte und Dienstleistungen zunächst gezielt einfach zu halten. In der Ausprägung als „Minimum Viable Product“ sollen sie bereits konkreten Nutzen bringen, aber zunächst mit überschaubarem Aufwand produziert und getestet werden können. Bevor sie dann in weiteren Iterationsschleifen modifiziert, erweitert, verfeinert oder im Extrem auch verworfen werden.

Eine solche iterative Annäherung durch „Ausprobieren“ ist nicht gleichzusetzen mit Beliebigkeit, Gleichgültigkeit oder gar Schludrigkeit! Vielmehr geht es darum, eine in der gegebenen Situation und mit den bestehenden Ressourcen „optimale“ Lösung zu realisieren, darüber mit möglichst vielen Beteiligten in einen Dialog zu kommen, aus dem erhaltenen Feedback zu lernen und die Ergebnisse dieses Lernprozesses zeitnah und gezielt in den Entwicklungsprozess einzubinden.

In diesen Tagen lassen sich bereits für jeden von uns kleinere und größere Anwendungsbeispiele für eine solche Vorgehensweise beobachten. Etwa den Gastronomen oder Floristen, der für den „Aus-dem Fenster“-Verkauf seine Produktvielfalt beschränkt, aber dadurch mit seinen Kunden in Verbindung bleibt. Oder den Anbieter von Hobbybastelkursen, der mit vereinfachte Bausätze für den Hausgebrauch und entsprechenden Anleitungen und Web-Tutorials experimentiert. Und natürlich auch uns Anbieter von Trainings und Weiterbildungsseminaren, die ihre Angebote und Inhalte an die veränderte Situation anpassen, vereinfachen, modularisieren, überprüfen und weiterentwickeln.

Und allen ist eines gemeinsam: Wir probieren, experimentieren nach dem Motto: „Better done than perfect!“ (E. Speckermann) und gehen in den Kontakt mit früheren, bestehenden (und neuen!) Kunden und Anwendern. Wir lernen aus den so gemachten Erfahrungen und nutzen diese Lerneffekte zur Weiterentwicklung auf bisher unbekanntem Terrain.

Grundsatz 4: “Management is doing things right; leadership is doing the right things!” – Peter Drucker

Damit in der gegenwärtigen Situation gute Führung gelingen kann, werden Orientierung, Zuversicht und Vertrauen unverzichtbare Werte. Machen Sie sich bewusst: „Führung“ ist nicht dasselbe wie „Management“!

„Management“ als Funktion hat die Aufgabe, messbare Ziele vorzugeben und bestmöglich zu erreichen, definierte Maßnahmen umzusetzen, ihre Umsetzung zu überprüfen und die damit erzielten Erfolge zu quantifizieren und nachzuweisen – alles wichtige, ehrenwerte und in unserer arbeitsteiligen und ökonomisierten Welt unverzichtbare Tätigkeiten.

Führung („Leadership“) dagegen gibt Orientierung, vermittelt Rollenmodelle und liefert Beispiele. Gute Führung erzeugt Antrieb und Motivation, im besten Fall ermöglicht sie gemeinsame und individuelle Entwicklung für die Führungsperson und die geführten gleichermaßen.

Seit beinahe 20 Jahren untersucht das renommierte US-amerikanische Meinungsforschungsinstitut Gallup, Inc. jährlich wiederkehrend Engagement und Motivation von Beschäftigten in zahllosen Unternehmen weltweit. Die im sogenannten „Engagement Index“ zusammengefasste Kenngröße verdeutlicht regelmäßig den erschreckend niedrigen Anteil von Befragten, die eine hohe Bindung zu ihrem Arbeitgeber zeigen: für Deutschland lag dieser Wert zwischen 2001 und 2018 relativ konstant bei lediglich 11 bis 16%.

Dass die Ergebnisse in anderen Ländern auch nicht viel besser aussehen, mag uns vielleicht etwas beruhigen, sollte aber keinerlei Anlass bieten, sich mit diesem Niveau zufrieden zu geben. Fakt ist und bleibt: Rund drei Viertel aller Befragten weisen eine nur geringe oder gar keine emotionale Bindung zu Ihrer Aufgabe und ihrem Arbeitgeber auf! Mit allen damit verbundenen negativen Auswirkungen auf Motivation, Loyalität und Einsatzbereitschaft, auf Flexibilität, Kreativität und Eigenverantwortung – und nicht zuletzt auch auf die Leistungsfähigkeit, Resilienz, innere Zufriedenheit und Gesundheit.

Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse der Studie über die Jahre konstant einen ganz wesentlichen Einflussfaktor auf Engagement, Loyalität und Zufriedenheit der Beschäftigten. Regelmäßig und weltweit belegt die Wahrnehmung der unmittelbaren Führungsperson und ihres Verhaltens stets einen der vordersten Plätze, und das unabhängig von Branche, Kulturkreis, Technologisierungsgrad und anderen Einflussfaktoren.

Wie lässt sich das erklären? Anscheinend besitzen wir alle „natürliche Antennen“, mit denen wir die Menschen unserer Umgebung bewusst und unbewusst wahrnehmen und intuitiv beurteilen. Personen, die wir als glaubwürdig und authentisch erleben, mit deren Verhalten wir uns identifizieren und auf deren Aussagen und Entscheidungen wir uns verlassen können, werden wir auch in schwierigen Situationen bereitwilliger unterstützen als andere. Falls notwendig auch über einen längeren Zeitraum und mit mehr Geduld, bis sich auch für uns positive Ergebnisse einstellen.

Überlegen Sie, wie Sie bei allen Notwendigkeiten, die es in der gegenwärtigen Krise umzusetzen und „zu managen“ gilt, diese positiven Aspekte Ihrer Führungsrolle für Ihr Team wahrnehmbar verwirklichen, eventuell sogar verstärken können!

Mehr hierzu in der nächsten Folge. Dann werden wir uns auch weiter mit dem Thema Dynamik beschäftigen. Wir hoffen, Sie sind dann wieder dabei!

Was Sie bewegt!

Die bisher erschienenen Folgen sowie weitere Informationen zu unseren Leistungen, Netzwerkpartner, Kunden und Referenzen finden Sie unter www.bsk-rauscher.de

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