Start News & Gesellschaft Erfolgreiche Führung in Zeiten der Corona-Krise – Teil 4

Erfolgreiche Führung in Zeiten der Corona-Krise – Teil 4

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Bochum, 17.04.2020

Der lange Weg „zurück in den Alltag“

Es ist der Freitag nach Ostern. Die Zahl bestätigter Infektionen in Deutschland wird aktuell mit gut 130.000 Fällen angegeben, rund 72.600 davon als inzwischen wieder genesen. Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen ist im Durchschnitt der vergangenen sieben Tage von gut 5.000 auf ca. 3.400 zurückgegangen, die Reproduktionsrate liegt nach jüngsten Einschätzungen des RKI erstmals unter 1.

Vorgestern haben Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten der Länder den Lockdown mit den bestehenden Kontaktbeschränkungen für mindestens weitere zwei Wochen verlängert, aber auch erste begrenzte Schritte zu einer Lockerung vereinbart. So werden zum Beginn der kommenden Woche kleinere Händler und ausgewählte Geschäfte unter Wahrung von Abstandsregeln und anderer Vorgaben wieder öffnen dürfen. Schulen, Hochschulen und Kindertagesstätten bleiben dagegen zunächst weiterhin geschlossen, ihre schrittweise Wiederöffnung wird voraussichtlich je nach Bundesland ab Ende April/Anfang Mai erfolgen.

Ebenso geschlossen bleiben Gastronomie und Sportstätten, alle Großveranstaltungen sind bis mindestens Ende August untersagt, und auch die Grenzkontrollen zu fünf Nachbarländern wurden um mindestens 20 Tage verlängert. Eine Entscheidung über mögliche weitere Schritte in Richtung Normalität soll zum 4. Mai auf Grundlage der dann bestehenden Situation getroffen werden.

Wie wird die „neue“ Normalität aussehen?

Neben der Ungewissheit über Geschwindigkeit und Dauer einer schrittweisen Rückkehr in den Alltag können wir davon ausgehen, dass diese „neue Normalität“ sicherlich anders aussehen wird, als vor Ausbruch der Pandemie. Damit ist nicht der Satz „Nichts wird mehr sein wie zuvor“ gemeint, der in den vergangenen Wochen immer wieder bemüht wurde. Im Gegenteil: Corona wirkt zwar wie eine Lupe und verdeutlicht eine Reihe von Faktoren, die wir vor der Krise „als gesetzt“ angesehen haben. Viele unserer gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen werden aber zunächst einmal konstant bleiben. Und gleichzeitig besteht die Gefahr, dass wir vor dem Hintergrund der materiellen Verwerfungen und der für viele ganz konkreten existenziellen Bedrohungen in mancherlei Hinsicht in einen reinen „Wiederaufbaumodus“ als größten gemeinsamen Nenner zurückwerfen lassen.

Natürlich wurden durch Corona und die ergriffenen Gegenmaßnahmen viele unserer Gewohnheiten gezwungenermaßen unterbrochen, teilweise auch bereits durch neue Routinen ersetzt. Jeder kann beobachten, wie sich eine Reihe gesellschaftlicher Regelungen und Konventionen durch neue Verhaltensweise verändern. Einige bewusst und für alle sichtbar, andere zunächst eher unbewusst, schrittweise und schleichend. Wir alle kennen solche Beispiele in der privaten und beruflichen Kommunikation oder in der Art, wie wir uns im öffentlichen Raum begegnen und unsere Freizeit gestalten.

Trotz dieser zu beobachtenden, noch zu erwartenden oder auch noch gar nicht absehbaren Veränderungen werden viele grundlegende materielle und immaterielle Faktoren aber erst einmal konstant bleiben oder sich nur langsam weiterentwickeln. Hierzu gehören unsere individuelle Persönlichkeit, unsere sozialen Bindungen, unsere Erziehung, Bildung und persönliche Einstellungen. Aber auch unsere Natur als Menschen mit all den damit verbundenen Bedürfnissen, Beschränkungen, Möglichkeiten, Emotionen und Antriebskräften – im Guten, wie im Schlechten.

Was bedeutet die derzeitige Lage für das Thema „Führung“?

Aktuellen Umfragen zufolge erscheint eine Mehrheit der Deutschen mit den am Mittwoch beschlossenen Maßnahmen und dem Krisen-Management der Bundesregierung insgesamt zufrieden. Laut einer Befragung des Hamburger Marktforschungsunternehmens „Appinio“ bewerten zehn Prozent das Krisen-Management mit „sehr gut“, 36 Prozent mit „gut“ und 33 Prozent mit „eher gut“. Nur jeweils vier Prozent der Deutschen finden das Krisen-Management „sehr schlecht“ oder „schlecht“. Gleichzeitig mehren sich aber auch Kommentare und kritische Beiträge, die Umfang, Termin und Sinnhaftigkeit der Maßnahmen in Frage stellen.

Es bleibt zu beobachten, wie sich Wahrnehmung und Stimmungslage in den kommenden Wochen weiter entwickeln werden. In diesem Zusammenhang sinnvoll ist sicherlich auch ein Blick über die Grenzen in andere Länder und die Frage, welche politischen und gesellschaftlichen Reaktionen und welche Folgen dort zu beobachten sind.

Mit den uns unweigerlich beeinflussenden Faktoren Angst, Stress und Komplexität und dem wichtigen Unterschied zwischen „Management“ und „Führung“ haben wir uns ja auch bereits in den vorherigen Folgen beschäftigt, ebenso mit der Herausforderung von Dynamik und dem Wert wiederkehrender Rituale. Sollten Sie diese Beiträge verpasst haben, finden Sie sie im Downloadbereich von www.bsk-rauscher.de

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung soll es heute darum gehen, die Erfahrungen, die wir alle in den vergangenen Wochen gemacht haben, noch einmal zu reflektieren und gezielt für den Weg in eine „neue Normalität“ zu nutzen. Was können wir aus ihnen lernen, wie lässt sich unsere individuelle Zukunft und die unserer Unternehmen beeinflussen?

Grundsatz 7: Nutzen Sie positive Veränderungen und Lerneffekte!

Je nach Betrachtungswinkel gibt es unzählige Definition dessen, was „Lernen“ bedeutet. Folgt man einem weit verbreiteten verhaltenspsychologischen Ansatz, so lässt sich Lernen verstehen als eine „Veränderung von Verhaltensweisen durch neu erworbene Kenntnisse, Fertigkeiten oder Einstellungen“. Genau das ist es, was in der derzeitigen Lage geschieht, und zwar auf unterschiedlichsten Ebenen, für uns alle und weltweit!

Denn ebenso wie wir Menschen „nicht nicht kommunizieren können“ (P. Watzlawick), können wir auch nicht „nicht lernen“. Dies gilt gerade und besonders in einer Ausnahmesituation wie der derzeitigen, die uns permanent und über längere Zeit neu herausfordert, nicht selten sogar an unsere Grenzen bringt.

Wir alle lernen derzeit permanent und unaufhörlich dazu. Zum Beispiel neue Kenntnisse („Wie breitet sich das Virus aus?“, „Wie funktioniert das neue Online-Tool?“), neue Einstellungen (z.B. „Welche Ängste und Befürchtungen sehe ich als realistisch an?“, „Wie demonstriere ich Rücksichtnahme und Solidarität mit anderen?“) und neue Fertigkeiten (z.B. „Wie arbeite ich effektiv digital mit anderen zusammen“, „Wie organisieren wir uns optimal, um mit der geänderten Situation zu begegnen?“). Genauso wie unser Kommunikationsverhalten laufen diese Lerneffekte oft unbewusst, quasi unter der Oberfläche ab, während wir versuchen, so gut wie möglich mit der veränderten Situation und der Unvorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung klarzukommen.

Wir erlernen nützliche neue Fertigkeiten, die uns auch zukünftig wertvoll und hilfreich sein können. Wir erfahren neue Dinge und Zusammenhänge. Zusätzlich zu der in der derzeitigen Situation unvermeindlichen Ungewissheit und Unsicherheit werden wir mit Halbwahrheiten und falschen Fakten konfrontiert. Und immer besteht das Risiko, auch wenig hilfreiche, für uns als Individuum oder für unsere Gesellschaft als Ganzes gefährliche oder schädliche Einstellungen, Überzeugungen und Glaubenssätze zu übernehmen, abzuspeichern und weiter zu verbreiten.

Erinnern Sie sich an das oben schon angesprochene Bild von Covid19 als „Lupe“? Reflektieren und identifizieren Sie gemeinsam mit Ihrem Umfeld die wesentlichen positiven Lernpunkte, die der Umgang mit der Krise für Sie bereithält! Was sind die für Sie und Ihr Team wichtigen neuen Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten? Wie entwickeln sich Einstellungen und Überzeugungen weiter, z.B. im Verhältnis zu Ihren Kund*innen, Kolleg*innen, Lieferanten und Partnern? Welche dieser Lerneffekte davon können Ihnen dabei helfen, auch in der Zeit nach Corona erfolgreich zu sein? Und wie lassen sich diese Effekte schon heute positiv nutzen und gezielt verstärken?

Grundsatz 8: Wirksame Führung vermittelt und stärkt gemeinsame Werte!

Dieser Grundsatz steht in enger Verbindung zu dem in der zweiten Folge betrachteten Unterschied zwischen „Management“ und „Führung“.

Immer mehr berufliche Aufgaben und Prozesse sind heute zu komplex, als dass sich die Qualität ihrer Umsetzung ausreichend und angemessen durch reine Kontrollen oder Messungen bewerten und steuern ließe. Die zunehmende Digitalisierung und die damit verbundene, faktisch unbegrenzte Verfügbarkeit von Daten und Messgrößen mag etwas anderes suggerieren. Aber selbst die besten Leistungskennzahlen, KPIs, Balanced Scorecards und OKR-Reports bieten bestenfalls ein unverzerrtes und hoffentlich zeitnahes, aber immer nur begrenztes Bild einer Realität ab, die sich in Wirklichkeit deutlich vielschichtiger darstellt.

Das heißt keinesfalls, dass diese Zahlen, Daten und Fakten überflüssig wären! Zu wirklich wirksamer Führung gehört aber das Bewusstsein, dass sich „Erfolg“ oder „Misserfolg“ wirtschaftlicher Aktivität nicht allein durch die Analyse und Kontrolle von Leistungsdaten oder gar Finanzkennzahlen gewährleisten lassen. Die Mathematiker unter uns würden es vermutlich so ausdrücken, dass eine gutes Controlling- und Reportingsystem eine notwendige, in der Regel aber keine hinreichende Bedingung für den längerfristigen Erfolg darstellt: Wir Menschen werden zu einem großen Teil durch Emotionen gesteuert. Unsere Werte und die unseres Umfeldes haben einen immens hohen Einfluss darauf, ob, wie stark und wie lange wir motiviert sind, gegen Widerstände anzugehen, wofür wir uns wirklich einsetzen und welche Ziele wir trotz Widrigkeiten verfolgen.

Aus der Neuro-Linguistischen Programmierung (NLP) ist das in den 80er Jahren entwickelte Modell der „Logischen Ebenen“ von Robert Dilts bekannt, das eingesetzt werden kann, um persönliche Veränderungen und organisatorischen Wandel zu analysieren und erfolgreich zu gestalten. Nach diesem Modell sind neben der Umwelt (d.h. dem „Wo?“), dem Verhalten (dem „Was?“) und den Fähigkeiten (dem „Wie?“) der handelnden oder betroffenen Menschen vor allem Werte und Glaubenssätze („Warum?“), Identität/Selbstbild („Wer?“) und Ziele/Sinn („Wozu?“) wesentliche Treiber, um Transformationen realisieren und nachhaltig verankern zu können.

Diese sogenannte „Dilts-Pyramide“ bietet ein einfaches und wirksames Modell, um zu verdeutlichen, wie stark die kulturellen Faktoren einer Organisation das Verhalten ihrer Mitglieder beeinflussen! Auch hierzu lassen sich in der gegenwärtigen Situation mit geringer Mühe zahllose Anwendungsbeispiele finden, vom Umgang mit Beschwerden und Anfragen frustrierter Kund*Innen oder verängstigter Patient*Innen bis hin zum Tragen von Handschuhen und Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit. Und allzu häufig erfolgt diese Beeinflussung unbewusst und ohne dass die damit verbundene Potenziale erkannt und genutzt würden.

Welche gemeinsamen Werte sind für Ihre Organisation und Ihr Team wichtig? Wozu sind Sie als Team da? Was schätzen Ihre Kund*Innen an Ihrer Organisation und der Zusammenarbeit mit Ihnen? Welche Aufgaben und Bedürfnisse lösen Sie für sie? Und welche neuen Probleme kommen durch und nach Corona auf Ihre bestehenden und auf potenzielle neue Kund*Innen zu?

Nutzen Sie diese und ähnliche Fragen, um sich der Kultur Ihrer Organisation bewusst zu werden, sie zu analysieren und gezielt weiter zu entwickeln! Insbesondere für komplexe, innovations- und wissensbasierte Organisationen werden die Antworten auf diese Fragen eine entscheidende Rolle dabei spielen, die mit der „digitale Transformation“ verbundenen Herausforderungen erfolgreich anzugehen und zu bestehen.

Soweit vielen Dank für Ihr Interesse!

In der abschließenden fünften Folge wollen wir in der nächsten Woche das Thema Werte noch einmal aufgreifen und vertiefen. Und wir wollen einen Ausblick darauf wagen, ob und wie sich Führungsverhalten und Führungstechniken mit der zunehmenden Dauer der Pandemie verändern. Wir hoffen, Sie sind dann wieder dabei!

Was Sie bewegt!

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