Freitag, Mai 29, 2020
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    Apokalypse schon wieder

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    Ich weiß nicht, ob das hier jemals irgendwer lesen wird. Möglicherweise bin ich der letzte Mensch auf Erden. Sollte sich eines Tages eine neue Zivilisation erheben, ist dieser Text vielleicht das letzte Zeugnis unseres Untergangs. Denn wieder einmal sieht sich die Menschheit der Ausrottung gegenüber. Zum Glück habe ich jahrelang Spiele wie Fallout oder The Last of Us gespielt, Zombiefilme von Romero bis 28 Days Later gesehen und The Road von Cormac McCarthy gelesen. Nur so konnte ich die bisherigen Bedrohungen überleben und vielleicht schaffe ich es auch dieses Mal.

    Die Welt brennt. Zumindest auf BILD.de – von Hamsterkäufen ist zu lesen und die Zahl der Infizierten habe sich innerhalb von 24 Stunden verdreifacht. Das Ende der Menschheit ist im Grunde unausweichlich, sonst müsste die BILD keine Signalfarben und keinen Live-Ticker verwenden. Zeitgleich behaupten die Stümper vom Robert-Koch-Institut, das Risiko sei gering bis mäßig, die Bundesregierung geht sogar so weit und verbreitet: „Von den 16 Fällen, die vor dem 25. Februar 2020 bekannt waren, sind 15 bereits wieder gesund und aus der Klinik entlassen.“ (Quelle: Bundesgesundheitsministerium). Das lässt sich im Schutze des Bunkers schnell verbreiten. Doch hier draußen, hier lag und liegt die Wahrheit.

    Quelle: Unsplash/Daniel Jensen

    Ein Titan rettet das Land

    Die Chronik des Untergangs beginnt im Juli 2000. Deutschland war auf dem Weg zum 10. Jubiläum der Wiedervereinigung und die FIFA beschließt, die Fußball-WM 2006 an die Bundesrepublik zu vergeben. Ein fataler Fehler, wie die Kette der Katastrophen zeigen wird. Schon im November selben Jahres reagierte die Erde mit ersten BSE-Fällen in Deutschland. Nach anfänglicher Panik aber gewinnen die Bayern im Mai 2001 die Champions League. Oliver Kahn, seines Zeichens Titan, besiegte nicht nur den FC Valencia, sondern auch den Rinderwahn. Mit kleineren Vorfällen rund um Milzbrand versuchte die Erde Richtung Jahreswechsel 2001/02 noch einmal, die Apokalypse zu starten. Doch Kahns Leistungen bei der WM in Südkorea und Japan machen die Angst schnell vergessen.

    Klar, das kann die Erde nicht auf sich sitzen lassen. Es ist der 12. März 2003, als die Weltgesundheitsorganisation WHO die Lungenkrankheit SARS als weltweite Bedrohung einstuft. Deutschland musste reagieren, der Titan konnte nicht alles auffangen. Es wirkte wie eine Verzweiflungstat, doch mit der Ernennung der Kartoffel zum Gemüse des Jahres 2003 schien SARS besiegt (es ist davon auszugehen, dass das Weichtier des Jahres 2003, die Bauchige Windelschnecke, eher geringen Anteil daran hatte). Auch die Einführung der BahnCard 50 und das Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft bei der EM 2004 verdrängten SARS schnell aus Zeitungen wie der BILD – ein sicheres Zeichen, dass die Gefahr gebannt ist.

    Der Untergang: die WM 2006

    Eine Weile blieb alles ruhig, aber dann stand die verheißungsvolle WM 2006 an. Schon im Vorfeld schickte die Erde den Virus H5N1 ins Rennen, der als Vogelgrippe zwar nur vereinzelt auf Säugetiere und Menschen übertragen wurde, dennoch selbstverständlich potenziell knapp 99,9% der Menschheit vernichten hätte können – dieser Wert kam dadurch zustande, dass Bundestrainer Klinsmann den Titan Kahn zum Ersatztorwart degradierte. Doch es kam alles anders. Statt auszusterben war die Menschheit zu Gast bei Freunden, ein großes Sommermärchen wurde geschrieben und vor lauter Freude wurde ganz vergessen, dass wir eigentlich alle hätten tot sein müssen. Wenigstens Pluto hielt sich zumindest ein bisschen an die Pflicht zur schlechten Nachricht und verlor Ende 2006 seinen Status als Planet. Schade, aber dort gab es zumindest keine Vogelgrippe.

    Seitdem ging es immer weiter. Die Schweinegrippe ab 2009 konnte Jogi Löw mit den jungen Wilden um Manuel Neuer und Co. bei der WM 2010 in die Flucht schlagen, die Panik um EHEC 2011 konnte nichts ausrichten gegen die sensationelle Meisterschaft von Jürgen Klopp und Borussia Dortmund. Und heute? Der Coronavirus hat es geschafft, den Klimawandel zu besiegen. Alles, was man jetzt noch liest: Viruspanik und der Wendler. Bis zur EM 2020 vergehen noch einige Monate. Menschheit, halte durch!

    Tim
    Tim
    Autor. Hat mal studiert. Studiert immer noch. Schreibt trotzdem. Oder genau deswegen.

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